Sesshafte Steine: Leben in der Jungsteinzeit
Im südlichen Niedersachsen betrieb man schon seit etwa 5500 v. Chr. Viehzucht und Getreideanbau. Die zu den höher gelegenen, sandigen und weniger fruchtbaren Altmoränengebieten zu zählende karge Geest (niederdt.: trocken, unfruchtbar) hingegen bot hierfür weniger ideale Voraussetzungen.
Jungsteinzeitliche Kulturpflanzen (von links nach rechts:
Saatweizen, Zwergweizen, Emmer, Einkorn, Gerste, Erbse, Schlafmohn, Lein);
Wahrscheinlich entstammen diese Pflanzen dem Vorderen Orient und Anatolien (Landesmuseum für
Natur und Mensch Oldenburg)
So erhielt die bäuerliche Lebensweise erst um 3500 v. Chr. mit den Vertretern und Vertreterinnen der „Trichterbecherkultur“ Einzug in die Wildeshauser Geest. Fortan widmete man sich intensiv der Viehzucht, dem Getreideanbau und dem Handwerk.
Jungsteinzeitliche Haustiere:
1. ein dem Auerochsen ähnliches, jedoch erheblich kleineres Hausrind,
2. Hausschaf
3. Hausschwein
Ausgeklügelte, weit überregionale Handelswege entstanden, wie Kupferfunde belegen. Dass die Menschen der „Trichterbecherkultur“ zugleich die ersten waren, die ihren Verstorbenen opulente Grabanlagen errichteten, steht geradezu sinnbildlich für die so genannte „neolithische Revolution“. Denn die Aufgabe des Jäger- und Sammlertums zu Gunsten einer sesshaften bäuerlichen Lebensweise ging mit der Ausbildung neuer kultureller und sozialer Systeme einher.
Frauen bei der Getreideernte mit einer Feuersteinsichel
(nach E. Sangmeister 1983, Zeichnung B. Pfeifroth;
aus: Häßler, Hans-Jürgen: Ur- und Frühgeschichte in Niedersachsen. Stuttgart 1991)
Gleichwohl ist der Begriff der „neolithischen Revolution“ erläuterungsbedürftig: Keineswegs avancierten die Menschen über Nacht zu sesshaften Bauern. Vielmehr vollzog sich dieser Prozess in langsamen Schritten. Auch hat sich die neue Lebensform keinesfalls alleine aus den ansässigen mittelsteinzeitlichen Kulturen entwickelt. Die Kenntnis von Ackerbau und Viehzucht gelangte vermutlich aus dem Vorderen Orient über den Balkan nach Mitteleuropa.
Ewige Steine: Jenseitsglauben in der Jungsteinzeit
Dass sich die Lebenden mit heute zumeist vollständig vergangenen Holzbauten begnügten, während man den Toten in Siedlungsnähe monumentale Steinhäuser errichtete, lässt einen tiefen Jenseitsglauben während der „Trichterbecherkultur“ erahnen.
Rekonstruktion eines neolithischen Hauses nach W.-H. Zimmermann (1979;
aus: Vom Eise befreit. Geest – reiche Geschichte auf kargem Land. Oldenburg 2002);
Eingang des rekonstruierten Hünenbettes I bei Kleinenkneten
Die überreichen Grabbeigaben der Großsteingräber – vorwiegend Keramik, aber auch Schmuck, Waffen und Nahrungsmittel – bestätigen diese Vermutung eindringlich.
Grabbeigaben der Großsteingräber bei Kleinenkneten
(Landesmuseum für Natur und Mensch Oldenburg)
Rituelle Verpflichtungen und die Grabnutzung über mehrere Generationen hinweg trugen dazu bei, dass sich etwa im Dötlinger Großsteingrab „Am Schießstand“ (9) über die Jahrhunderte immerhin zwölf Zentner (!) Keramikscherben ansammelten.
Großsteingrab „Am Schießstand“ in Dötlingen
Über die konkreten Bestattungsrituale sind keine Einzelheiten überliefert. Scherbenfunde in den Eingangsbereichen legen jedoch die Annahme nahe, dass zu Ehren der Toten Feiern abgehalten wurden. Im übrigen bestätigen die oftmals exponierte Lage an früheren Handelswegen und die mitunter ungewöhnliche Grabgröße ein bereits bei unseren jungsteinzeitlichen Vorfahren beachtlich ausgeprägtes Repräsentationsbedürfnis.
Bewegte Steine: Die Bauweise
Nicht von Riesenhand und auch keineswegs in mehreren Jahren, sondern in erstaunlich kurzer Zeit und mit überraschend einfachen Mitteln wurden Großsteingräber konstruiert: Als Baumaterial auserkoren wurden nahegelegene, schwere Geschiebeblöcke aus zumeist rötlichem Granit. Eiszeitliche Gletscher hatten sie lange zuvor in die Geest befördert. Diese so genannten erratischen Steine (Findlinge) transportierte man mit Hilfe von Ochsengespannen – möglichst bei gefrorenem Boden - über rollende Baumstämme zur vorgesehenen Grabstelle.
Erbauung eines Großsteingrabes
(nach J.H.F. Bloemers, Archeologische opgravingen in
Nederland. 1981)
Man ließ die als Trägersteine vorgesehenen Findlinge aufrecht in den zuvor ausgehobenen Boden ein und hievte die tonnenschweren Decksteine über Rampen auf das Grab. Die Zwischenräume füllte man sorgfältig mit Trockenmauerwerk und überschüttete zum Schluss das gesamte Grab mit einem Erdhügel.
Rekonstruiertes Trockenmauerwerk mit Erdaufschüttung, Hünenbett I bei Kleinenkneten
In den 1930er Jahren versuchte man jenes ursprüngliche Erscheinungsbild beim so genannten „Hünenbett I“ der Kleinenkneter „Großen Steine“ (48) nachzuempfinden. Noch heute können sie diese Rekonstruktion besichtigen.
Anhand des Kleinenkneter „Hünenbettes I“ errechnete man in den 1990er Jahren die mutmaßliche Erbauungsdauer von Großsteingräbern: Für ein Grab jener Größe benötigten 100 Personen bei 10-stündigem Arbeitstag lediglich 3 ½ Monate.